Frühe Hochkulturen
Die Geschichte der Ziegelherstellung ist ebenso alt wie die Geschichte der Hochkulturen. Mithin datieren die ältesten gebrannten Ziegel in das 3.-4. Jahrtausend v. Chr. und wurden in Kreta (Knossos) und dem Zweistromland ausgegraben.
Die ältesten Ziegelfragmente unserer Sammlung enthalten eine Keilschrift. Diese Inschriften stammen aus Eridu, einer Stadt am Persischen Golf im Süd-Irak, dem alten Sumer, und sind sogar über 4000 Jahre alt. Dort wurden auch ältesten bekannten Mosaike mit Tonstiften gefertigt, deren Köpfe angefärbt waren. Ziegel in riesiger Stückzahl und glasierte Reliefziegel von hoher Vollkommenheit wurden bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. in Babylon verbaut.
Vom Zweistromland aus breitete sich dann die Ziegeltechnik über den gesamten Mittelmeerraum aus.
Antike und Spätantike
Einen großen Aufschwung nahm die Ziegelherstellung während der Entwicklung des römischen Imperiums. Mit den Römern gelangten die Ziegel auch nach Germanien.
Unsere heutige Bezeichnung „Ziegel“ leitet sich direkt vom Wort-Stamm "Tegula" des lateinischen Worts für Dachziegel ab.
Die Herstellung von Ziegeln oblag damals speziellen Militäreinheiten sog. "„Vexillationes“. Diese stempelten einen Teil ihrer Ziegel mit der Zahl, dem Beinamen und manchmal mit dem Symbol ihrer Legion. Militärziegeleien in unserem Raum bestanden in Rheinzabern und später in Nied bei Höchst.
Die Vielfalt der Formen römischer Dachziegel und Backsteine wird in unserem „Römerraum“ eindrucksvoll demonstriert.
Mittelalter
Mit dem Untergang des römischen Reiches im 5. Jahrhundert ging in Deutschland das Wissen um die Ziegelherstellung verloren. Erst im 9. Jahrhundert sind vereinzelt wieder Ziegeleien in Klöstern belegt. Die frühen Backsteine hatten ein viel größeres Format als es unserer heutigen Norm entspricht, es wird als "Klosterformat" bezeichnet.
Im 11. Jahrhundert gewann die Ziegelherstellung durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Städte und die Gründung von zahlreichen Klöstern an Bedeutung. Hinzu kam, dass wegen der häufigen Brandkatastrophen im Mittelalter vielfach durch Dekret verordnet wurde, die übliche Dachdeckung mit Stroh, Schilf oder Holzschindeln durch Ziegel zu ersetzen.
Backsteingotik
Die wirtschaftliche Blüte der Hanse, das Aufkommen eines neuen Baustils aus Frankreich, der Gotik, und das Fehlen von Natursteinen führte im 13. Jahrhundert in Norddeutschland zu einer eigenen kunsthistorisch spezifischen Entwicklung: der Backsteingotik.
Mit dem kleinteiligen Backstein ließen sich andere Bauformen entwickeln als mit Naturstein. Das wichtigste Formelement waren dabei die „Formsteine“, die aufeinander gesetzt die filigranen Ornamente der Säulen, Friese und des Maßwerks ergaben.
Es sind zahlreiche Beispiele handgeformter Ziegel in unserem Museum ausgestellt. Sie umfassen neben den Backsteinen alle gebräuchlichen Formen der Dachziegel.
Industrialisierung
Bis ins 19. Jahrhundert änderte sich nichts Wesentliches mehr in Bezug auf Ziegelform und Ziegelherstellung: Die Ziegel wurden nach wie vor mit der Hand geformt und im Feldbrandverfahren oder in einem Kammerofen gebrannt. Es sind zahlreiche Beispiele handgeformter Ziegel in unserem Museum ausgestellt.
Dann erfasste die „Industrielle Revolution“ auch das traditionelle Ziegelwesen. Maschinen übernahmen die Handarbeit des Zieglers, der Hoffmannsche Ringofen setzte zu seinem Siegeszug durch die Welt an. Ihm verdankt auch die hiesige Ziegelei Zu Bretzenheim ihre Gründung.
In unserer Ziegelei Rosbach wurden ausschließlich Backsteine gebrannt, im gleichen Verfahren erfolgte andernorts die Produktion aller gebräuchlichen Formen der Dachziegel: die Hohlziegel („Mönch-Nonneziegel“), die Krempziegel, die S-förmigen Hohlpfannen und die flachen Biberschwanzziegel.
Der moderne Falzziegel mit seinen ineinander greifenden Rand- und Kopffalzen machte die Dächer dichter und haltbarer. Seine Entwicklung ist eng mit dem Namen "Ludowici" verbunden. Der Doppelmuldenfalzziegel Z1 von Ludowici, patentiert 1881, eroberte schließlich die Welt.